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Die Fraisch

Bewegte Geschichte

Rund um Neualbenreuth gab es über Jahrhunderte hinweg eine kulturgeschichtliche Besonderheit, nämlich die sogenannte Fraisch oder Frais.
Das Wort kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet Gericht, Gerichtsbarkeit in Criminalsachen laut dem Bay. Wörterbuch von J.A. Schmeller.

Um Neualbenreuth herum lagen Ortschaften, die zu den beiden reichsunmittelbaren Territorien der Stadt Eger und des Stifts Waldsassen gehörten. Hier gab es Orte, die sowohl von Egerer als auch Waldsassener Untertanen bewohnt wurden – sogenannte gemengte Orte. Zum Fraischgebiet gehörten nach dem Egerer Landsteuerbuch von 1395 und dem waldsassischen Salbuch vom Ende des 14. Jahrhunderts die „gemengten“ Ortschaften Neualbenreuth, Altalbenreuth, Gosel und Querenbach, des Weiteren die „ungemengten“ Orte Hardeck, Schachten, Boden, Altmugl, Maiersreuth, Schönlind, Ottengrün und Hatzenreuth. In den ungemengten Orten lebten ausschließlich Untertanen aus einem der beiden Hoheitsgebiete. Immer wieder kam es in der Kontaktzone zu Konflikten.

1589 löste ein Mordfall den Fraischrezess aus. Ein Egerer Bürger wurde an der Grenze ermordet und auf Waldsassener Grund gezogen. Die Waldsassener wollten den Toten nicht herausgeben. Daraufhin wurde eine Vereinbarung getroffen.

Dieser Fraischrezess von 1591 war ein Vergleich zwischen den beiden Parteien. Das Verhandlungsprotokoll besagte, dass in der egrisch-waldsassischen Fraisch die Gerichtsbarkeit in jährlichem Wechsel von der Stadt Eger und vom kurpfälzischen Hauptmannamt Waldsassen ausgeübt wurde. Dies bezeichnet man auch als Gründung eines Kondominiums, in welchem zwei Mächte gemeinsam die Gewalt ausübten und Recht sprachen

Der Fraischrezess wurde nach dem damaligen Kalender erstmals am 29.07.1591 am Marktplatz in Neualbenreuth, dem damaligen Zentrum der Fraisch, verlesen. Dieses Ritual wiederholte sich alljährlich.

Wirtschaftlich galt das Gebiet auch als Freihandelszone. Im Laufe der Zeit schränkte man die Handelsfreiheit immer weiter ein. 1788 richtete Böhmen neue Amtsstellen ein, die den Warenverkehr kontrollierten.

1862 wurde schließlich durch den in Wien ratifizierten Grenzvertrag zwischen Österreich und Bayern das Kondominium aufgelöst. Soweit es die Zollbestimmungen erlaubten, wurden aber auch danach die Handelsbeziehungen aufrechterhalten. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde „gepascht“, wie das Schmuggeln hier heißt.

Das Fraischgebiet - Text von Lorenz Weiß

Im 13. Jhdt. findet man rund um Neualbenreuth drei Besitzergruppen der Reichslehen:
Das Kloster Waldsassen, Stadt und Land Eger und verschiedene Bürger von Eger.

Keinem war es möglich, ein geschlossenes Gebiet zu besitzen. Lange Differenzen, Schenkungen und Streiterei gipfelten 1589 in einem Mord an einem Egerer Handwerker.
Es herrschte Unklarheit und Verwirrung, wer denn nun die Gerichtshoheit habe und zuständig sei. Lange Verhandlungen endeten in einem Rezess 1591. Das Kernstück war die Festlegung eines kurpfälzisch-egerisch gemischten Gebietes mit jahrweise abwechselnder Landeshoheit.

Zur eigentlichen Wechselfraisch gehörten nur vier Orte:
Neualbenreuth, Altalbenreuth (heute Mytina), Gosel (heute Kozly) und Querenbach sowie die fünf ungemengten stiftischen Orte Hardeck, Schachten, Boden, Mugl und Maiersreuth.
Jeweils am 29. Juli wurde am Marktplatz von Neualbenreuth verkündet, wer im nächsten Jahr die Landeshoheit innehatte.

Für die Bevölkerung hieß es: Geld wechseln, Fahnen tauschen, Kalender ändern und die Gesinnung auf den jeweiligen Herren einstellen.
Das eigentlich als Provisorium gedachte Fraischgebiet behielt mehr als zweieinhalb Jahrhunderte seine Gültigkeit, bis Neualbenreuth 1862 durch den „Wiener Staatsvertrag“ endgültig der bayerischen Krone zugegliedert wurde.
Heute ist die Fraisch mit dem Hauptort Neualbenreuth geprägt von Zeugen der wechselnden Herrschaftsbereiche wie Egerländer Fachwerkbauten, den katholischen Kirchen in Neualbenreuth und Ottengrün, dem Schloss Hardeck und dem Egerländer Dialekt, der hier gesprochen wird.

1. Entstehung und Begriff 

Ganz besondere Besitz- und Gerichtsverhältnisse bestanden einst in Neualbenreuth und Umgebung , im sogenannten Fraischgebiet. Denn es gab hier sowohl Untertanen der Stadt Eger als auch solche des Stiftes Waldsassen. Ursprünglich war das Egerland ein einheitliches Gebiet, zerfiel aber nach Auflösung des Nordgaues in zwei verschiedene Interessen- und Einflussgebiete: das Stiftland und das Egerland.
Jeder dieser beiden Herrschaftsbereiche besaß und erwarb im Gebiet des anderen Besitzungen und wurde zum Rivalen des anderen.
Mit der Zeit war das ganze Gebiet ein Wirrwarr von sich überschneidenden Rechtsverhältnissen und Besitzungen.
Beispielsweise besaß in Neualbenreuth die Stadt Eger 49 Häuser, während die Einwohner von 62 Häusern dem Stift Waldsassen untertan waren.

Ähnlich war es in den Dörfern Altalbenreuth, Boden, Gosel, Hardeck, Maiersreuth, Querenbach und Mugl.
Ein solches Durcheinander sich kreuzender Zugehörigkeiten beschwor Jahrhunderte lange Streitigkeiten herauf.
Anlässe gab es genug. Man stritt um Grenzen, Wegerechte, Steuern und Abgaben, Lehen und Frondienste, Handel und Märkte, Jagd und Fischerei, Patronat und Geleit, Miliz und Soldaten, Braurechte und Gerichtsbarkeit.
Man machte sich überall Rechte streitig und geriet immer wieder in Konflikt, so dass sogar der Kaiser eingreifen musste.
Das Wort Fraisch kommt aus dem althochdeutschen „fraison“ und bedeutet im weiteren Sinn, Angst, Furcht, im engeren Gerichtsbarkeit und Todesstrafe.

2. Interimsrezess vom 23.09.1591 

Diese Streitigkeiten im Fraischgebiet wurden im Jahre 1591 auf dem Egerer Rathaus durch beidseitig anwesende Kommisare beigelegt.
Es kam ein Grenz- und Zuständigkeitsvertrag zwischen dem Kloster und der Stadt Eger, der sogenannte Interimsrezess, zustande.
Jetzt erst beginnt die eigentliche Geschichte der Fraisch, weil der Begriff Fraisch zu staatsrechtlicher Bedeutung erhoben wurde.
Über die Stellung der Fraisch heißt es im Punkt 7 wörtlich: Es wurde bestimmt, dass über die strittigen und in die Pflege Hardeck gehörigen „gemengt und ungemengte Dörfer als Hardeck, Mayersreuth, Mugl, Schachten, Boden, Alt- und Neualbenreuth, Querenbach und Gosl sich das Stift Waldsassen und dann gemeine Stadt Eger der Jurisdiction und Obergericht altenatim ein Jahr umbs ander umbgewechselt gebrauche, kein Teil dem andern hierin einigen Einhalt nit thun“.
Das bedeutet:
Dieses Gebiet sollte ein Jahr unter Egerer Gericht, das andere unter dem Gericht des Stiftes Waldsassen stehen.
Der Wechsel wurde immer am 29. Juli vollzogen. Eine Ausnahme bildete das Gotteshaus und der Pfarrherr von Neualbenreuth, ebenso das der Stadt Eger gehörige Haus (heute Rathaus in Neualbenreuth).
Sie unterstanden immer der Stadt Eger. Weil der Schulmeister zur Kirche gehörte, war auch er immer egerischer Untertan.
Das Kloster hatte sich die Burg in Hardeck ausgenommen, weil dort der Sitz des Klostergerichtes war.

Zu den Verbrechen der damaligen Zeit, zu sogenannten Malefizfällen, zählten: Gotteslästerung, Ketzerei, Zauberei, Vergiftung, Kirchenraub, Ehebruch, Notzucht, Blutschande, unnatürliche Unkeuschheit, Entführung einer Witwe oder Jungfrau, wenn sich einer mit zwei Personen verlobt, Mord, Raub, Brandstiftung, Ausreissen von zu Hause, Diebstahl über drei Gulden, Verrat, Meineid, körperliche Verstümmelung, Grabschändung, Sklaverei, falsches Zeugnis, Münzen fälschen und beschneiden derselben, Amtsanmaßung, wenn sich einer für einen Fürsten, Ritter oder Grafen ausgibt und andere täuscht, wenn der Richter sich bestechen lässt, wenn einer falsche Maße und Gewichte gebraucht, wenn einer wider die Obrigkeit hetzt, einen Aufruhr anstiftet, Schandbriefe schreibt und einen Verbrecher beherbergt.

3. Der Wiener Vertrag vom 24.06.1862 

Die im Interimsrezeß getroffenen Vereinbarungen hatten ihre Gültigkeit bis zum Jahre 1862. Bereits im Jahre 1846 waren die böhmischen Untertanen in Neualbenreuth aus dem österreichischen Staatsverband entlassen und dem bayerischen Staat einverleibt worden. Es entstand ein großer Wirrwarr, weil weder Pfarrei, Kirche noch Schule in ihren Rechten gesichert waren.
Es waren noch kirchenrechtliche Fragen des Patronats, der Diözesanzugehörigkeit, der Besetzung der Schulstellen und ähnliches zu regeln.

Am 24. Juni 1862 wurde endlich die Fraischausgleichung und Aufhebung dieses alten Rechtszustandes im sogenannten Wiener Vertrag offiziell und endgültig vollzogen.

Text: Lorenz Weiß